Teil 12 Varanasi - Mumbai   (Indien)

  REISEBERICHT  2008   Indien

18.11.2008
Vom Parkplatz des Hotel de Paris bereiten wir den Update der Homepage vor. Auf dem Vorplatz vor dem Hotel werden Stellwände, Stoffverkleidungen und Zelte aufgebaut. Das sieht aufwändig aus. Morgen Abend wird hier eine Hochzeit gefeiert. Eigentlich wollten wir Morgen weiter fahren, aber eine indische Hochzeit zu sehen lassen wir uns nicht entgehen und bleiben noch einen Tag.
Wir erledigen Internet in einem Hotel der Nachbarschaft und versuchen eine Vodafon Telefonkarte zu kaufen. Der Shop braucht eine Bestätigung vom Hotel, dass ich dort wohne. Mit Passnummer, Zimmernummer und ein Passfoto.
Bis spät in den Abend wird für die Hochzeit aufgebaut. Zwei Anhänger mit LKW Motoren und Stromgeneratoren werden aufgestellt, denn für Strom muss man in Indien selbst sorgen. Kein Geschäft, das keinen Generator oder wenigstens eine batteriebetriebene USV (Unterbrechungsfreie Strom Versorgung) hat. Auch keine Hochzeit ohne eigenen Generator. Die Büsche werden mit Lichterketten geschmückt und Arkaden aus Holz werden aufgebaut. Wir sind mal gespannt.

19.11.2008
Das Hotel stellt sich an wegen des Briefes für Vodafon. Sie wollen nur eine Rechnung ausstellen und eine Quittung. Keinen Brief. Nicht mal ein Blatt Papier mit Briefkopf vom Hotel rücken sie raus. Nach endloser Diskussion schreibt der Hotelmann meine Daten auf die Rechnung. Na also.
Im Telefonladen bitterernste Blicke und Kopfschütteln. Die Quittung können sie so nicht akzeptieren, weil der Stempel vom Hotel fehlt. Ich lache und sage 'Klar, ich lauf zurück, hol den Stempel und bin gleich wieder da.'
Wir gehen über die Strasse in einen anderen Shop und haben in 15 Minuten einen Vodafon Vertrag. SMS schicken nach Deutschland geht immer noch nicht. Wir werden noch wahnsinnig.
Ein ganzes Heer von Arbeitern ist mit schmücken und aufbauen von allerlei Buden beschäftigt. Seit den Morgenstunden wird in dem extra aufgebauten Küchenzelt das Essen für die Hochzeit vorbereitet.



Ein kleiner Vespa-Dreirad-Sattelschlepper fährt emsig über das Gelände und verteilt Tische und Stühle und Kisten und Kartons und Alles Mögliche. Eine Bühne wird aufgebaut, ein Essenszelt wie bei König Arthus und den Rittern von der Tafelrunde. Im Halbkreis stehen Buden wo später die Speisen angeboten werden. DJ, Soundanlage mit telefonzellengroßen Boxen und tragbarer, von unten beleuchteter Tanzfläche werden aufgeboten. 
Stände für Moktails, Snacks und ein kleiner Tempel dürfen nicht fehlen. Wirklich TAUSENDE von Blumen stecken an jedem Teil der Verkleideung und besonders an der Bühne. Es wirkt völlig übertrieben und das soll wohl auch so sein.
Als am Abend die Gäste und das Brautpaar eintreffen wird natürlich alles noch viel bunter. Der Veranstaltungort ist mit Stellwänden abgeschirmt. Um besser sehen zu können steigen wir auf das Dach des Hotel's und beobachten die Vermählungszeremonie, die auf der Blumen- und Licht- übersähten Bühne stattfindet. Höhepunkt ist das gegenseitige umhängen von Blütenkränzen durch Braut und Bräutigam. Jedenfalls klatschen da alle Gäste und unser Guide mit der Taschenlampe ist ganz aufgeregt.
Leicht hätten wir uns unter die Hochzeitsgäste mischen können. Die Leute vom Hotel meinten sogar wir können uns ruhig was zum Essen holen. Als Ausländer sowieso kein Problem. Wir führen im Magirus ordendliche Kleidung für solche Fälle mit. Wären wir von der Gesellschaft eingeladen worden, hätten wir sogar Geschenke und Geschenkpapier dabei gehabt. So aber finden wir das unpassend und bleiben lieber Zaungast.
Es hat sich auf jeden Fall gelohnt. Das ist 1001e Nacht.

20.11.2008
Mit frisch handgewaschenem Auto fahren wir weiter. Agra ist unser nächstes Ziel. Wir müssen uns ein wenig beeilen, denn Ende Dezember wollen wir in Kerala sein, ganz im Süden. Bis dort sind es ca. 3500km. Und man weiß nie wie die Strassen sich verhalten.
Dreizehn Uhr. Seit einer Stunde sind wir unterwegs und immer noch in Varanasi. Der Stadtplan erweist sich als wirkungslos und wir werden mehrfach in die falsche Richtung geschickt. Auch von der Verkehrspolizei. Die wollen uns einfach nur von ihrer Kreuzung runter haben, egal wohin. Wichtig ist auch die richtige Aussprache:
"Hello Mister, can you tell me the way to Agra?"
"Hä?"
"Way to Agra!"
"Hä?" (mit Handbewegung)
"AGRA!"
(Kopfschütteln)
(wir zeigen mit dem Finger auf Agra in der Landkarte)
"Ah! Agra!"
Habe ich doch drei mal gesagt und es hört sich für uns genauso an, vermutlich betonen wir falsch.

Indien baut sein Fernstrassen Netz aus. Man spricht von der größten Investition in die Infrastruktur seit die Briten die Eisenbahn gebaut haben. In einem Internetbericht haben wir gelesen, die neue Autobahn ist brandneu, hypermodern und vor allen fertiggestellt. Die Autobahn verbindet die Metropolen des 'Goldenen Vierecks' Delhi, Mumbai, Chennai und Kolkatta. Wir sind sehr gespannt auf den Super Highway. Die Strasse nach Agra ist aber genau so schlecht wie alle anderen und der Verkehr auch. Wahrscheinlich ist der Super Highway um Varanasi herum gebaut, wir haben nur den Anschluss nicht gefunden und sind hier auf der alten Landstrasse. Das wäre logisch. Allerdings auch sehr europäisch gedacht.
Nix ist natürlich fertig. Der Highway wird auf der Trasse der alten Strasse gebaut. Erst die eine Seite, dann die Andere. Wo Superhighway* fertig ist, fährt es sich wunderschön. Die Fahrbahn ist total eben. Die wenigen LKW's kann man links oder rechts überholen, wo Platz ist. Es gibt nur wenige Fahrräder oder Rikschas und nur manchmal kommt ein Traktor auf der falschen Spur entgegen. In Deutschland würde das eine Meldung im Verkehrfunk generieren. Hier wird nicht mal gehupt.
Die erste Mautstation will 160 Rs von uns haben. Das ist der Preis für LKW's und Busse. Viel zu viel. Dani gibt 45 Rs, das ist der Preis für PKW, denn wir sind ja nur zu zweit. Wir sind kein 'Goods Carrier' und haben kein 'National Permit' für komerzielle Lastwagen. Bis zu 80 Rs hätten wir gezahlt. Verwirrung entsteht, ein kleiner Stau bildet sich. Bis der Chef von der Mautstation kommt und uns durch winkt. Wir brauchen gar nicht's bezahlen.
Die nächste Station verkauft uns ein 'Multiple Ticket', was wir zu spät bemerken und der Mautmann will das Wechselgeld nicht raus rücken.
Nach diesen Aktionen kommt uns beiden der Gedanke, dass in Indien irgendwie alles möglich ist und man auf alles gefasst sein muss. Man sieht etwas Kurioses und lacht noch darüber, doch gleich drauf wird es nochmal getoppt.
So steht in der Abenddämmerung ein Sattelschlepper mit Überbreite auf der Gegenfahrbahn. Seine Ladung, eine riesige Röhre ragt unbeleuchtet in die Fahrbahn. Keine Polizei, kein Begleitfahrzeug mit Rundumkennleuchte, keine reflektierenden Warnschilder. Gerade will ich zu Dani sagen daß es hier heute Nacht bestimmt noch kracht da sehe ich dass die Fahrer in der Röhre sitzen und zu Abend essen.



Erst heute Morgen hatten wir eine Ziege mit Pullover gesehen. Es ist so lustig, manchmal.
Die Nacht verbringen wir bei Indian Oil.

*Superhighway: In der Fahrbahn sollen Sensoren eingebaut sein, die erkennen, wenn die Fahrbahn kaputt geht. (Das glaube ich erst wenn ich es sehe.)
[Nachtrag von 30.11.2008: Sie haben Sensoren, die die Reifengröße erkennen können!]

21.11.2008
Die Fahrt nach Agra auf dem Super Highway geht recht zügig. Nur selten sind noch Baustellen zu sehen. Durch oder über Kanpur führt der NH2 komplett über eine Brücke ohne eine einzige Auf- oder Abfahrt. Wer in die Stadt will muß sich das vorher überlegen. Auf der über 10km langen Brücke fahren wir fast ganz alleine. Wir schaffen die 350km an einem Tag und sind in der Dämmerung in Agra.
Wichtigstes Ziel in Agra ist das Taj Mahal. Ausserdem wollen wir das Rote Fort besichtigen. Mit dem Magirus an einem der Hotels in Nähe des Taj Mahal zu parken ist nicht möglich. Die Gassen sind zu klein und die Regierung hat ein Bannmeile um das Kulturdenkmal errichtet. Damit soll verhindert werden, daß der weiße Marmor schaden nimmt.
Es gibt einen großen Parkplatz am Westeingang. Da heute Freitag ist und das Taj Mahal geschlossen hat, ist der Parkplatz wie ausgestorben. Wir stellen uns in eine Ecke und warten auf Morgen.

22.11.2008
Ab 7:00h findet ein Cricket Spiel auf dem Parkplatz statt. Der Magirus steht voll im Weg. Zum Frühstück können wir das Spiel beobachten und bei jedem Wurf, der in die Hose geht bekommt unser Magirus böse Blicke und eindeutige Handgesten. Manches 'Bong' am Fahrerhaus unterstreicht, daß er wirklich in der Fluglinie steht. Um 8h verschwinden die Spieler und der Parkplatz füllt sich mit Touristen Fahrzeugen und den dazugehörenden fliegenden Händlern.

Indien ist immer für eine Überraschung gut. Der Eintrittspreis für das Taj Mahal wurde vor einiger Zeit für Ausländer von 25 Rs auf 500 Rs angehoben. Aufgrund der Proteste der Tourismusindustrie noch mal auf 750 Rs, um zu unterstreichen wie unfehlbar Entscheidungen der Regierung sind, und schließlich auf 960 Rs. Mittlerweile wurde der Preis wieder auf 750 Rs reduziert. Es ist den Touristen schließlich egal. Wer nach Indien reist spart nie am Eintritt für dieses Monument. Und das weiß die Rgierung. Inder zahlen 25 Rs Eintritt.

Das meistfotografierte Bauwerk der Welt ist wirklich beeindruckend. Das TM wurde aus Schmerz über den Tod seiner Lieblingfrau vom Großmogul Shah Jahan errichtet.
Sie war bei der Geburt ihres 14 Kindes verstorben. 20.000 Handwerker aus ganz Asien haben fast 20 Jahre an dem Mausloeum gearbeitet. Allein der Marmor wurde von 1000 Elefant 300 km weit her geschleppt.  Shah Jahan wurde schließlich von seinem eigenen Sohn wegen seiner Verschwendungssucht abgesetzt und eingesperrt.
Das Monument wird dermaßen in die Höhe gelobt, daß die Gefahr besteht bei seinem Anblick enttäuscht zu sein. Als unser ehem. Bundespräsident Heinrich Lübke das TM 1962 besuchte war er erst mal sprachlos. Nach einer langen Pause wandte er sich zu seiner Frau: "Wilhelmine, Sauerland bleibt Sauerland."
Das Taj Mahal und die Anlage rund herum ist wirklich beeindruckend. Viele indische Touristen machen Fotos von Dani und mir. Auch immer wieder gerne ein Gruppenfoto. Das ist ein komisches Gefühl, den offensichtlich halten sie uns für exotisch. Wir haben immer unseren Spaß dabei.
Am Abend wollen wir noch einen Spaziergang am Fluss machen. Auf dem Parkplatz sind aber fliegende Händler, die Klebefolien für Autos verkaufen. Sie haben auch getönte Folie für die Frontscheibe. Das wär doch was für den Magirus. Auf Höhe der Sonnenblende lassen wir einen dunklen Streifen Folie anbringen und die kleinen Seitenfenster werden auch gleich verdunkelt.
Nach dem Spaziergang schauen wir noch eine DVD und gehen dann früh zu Bett, denn Morgen geht es früh raus.

23.11.2008
Um 5:30h stehen wir auf und fahren mit dem Auto zum Roten Fort. Der Rabatt auf die Eintrittskarte vom Taj Mahal ist verfallen, denn die gilt nur am selben Tag. Sehr verwinkelt, beeindruckend und vergängelt (viele Gänge). Die Gebäude und Plätze sind alle miteinander verbunden. Nach jeder Ecke kommt ein neues Wow! Die Lage über dem Fluss ist fantastisch und der Blick zum Taj ist schön und kitschig. Es liegt im Dunst und ist nur schemenhaft zu erkennen. Allerdings ist nur ein kleiner Teil der Festung zu besichtigen der Rest ist kaputt, wird militärisch genutzt oder in Arbeit.

Danach geht es auf der NH11 weiter nach Jaipur. Wie immer ist es eine Tortur aus der Stadt raus zu kommen. An einer Ecke fragt man fünf Leute wo es lang geht und drei  mögliche Richtungen stehen danach zur Auswahl. Die Stadtpläne in den Reiseführern sind nahezu nutzlos. Der beste Freund ist immer noch der Kompass.
Dani und ich sind große Fans von Superhighway.  Die einfachen Stellen (ebene Fläche, kein Fluss, keine Stadt, keine Eisenbahn im Weg) sind fast fertig. An den Brücken wird noch gebaut.
Wir verlassen Utta Pradesh und kommen nach Rajastan. Hier ist alles etwas anders. Die Atmosfäre ist entspannter und viel freundlicher. Weniger Müll, gepflegte Häuser, weniger Verkehr, bessere Geschäfte und Restaurants.
Kreditkarten sollen in ganz Indien funktionieren. An einer Indian Oil frage ich extra ob Master Card funktioniert? Kein Problem! Der Tankwart füllt 250 Liter Diesel in den Tank und die Karte geht nicht. Bargeld haben wir nicht genug und selbst wenn würden wir nicht bar zahlen. Es sieht lustig aus wie die Tankstellenmänner im Freien immer wieder die Karte durch den Leser ziehen und Einer mit erhobener Hand das Mobiltelefon am Kabel hoch hält. Es geht nicht. Was sollen wir uns lustig machen? Unser Toll Collect hat ja auch erst mal nicht funktioniert. Nach einer Stunde warten und immer wieder probieren möchten wir gerne weiter fahren. Ein Mitarbeiter der Tankstelle begleitet uns mit dem Mopped und nach 30 Kilometern kommt eine Bank mit ATM (Geldautomat). Wir bezahlen den Mann und er fährt wieder zurück. Wir lassen die Kreditkarte in Zukunft in der Tasche. Das macht so keinen Spass.
Direkt an der Schnellstrasse gibt es viele Steinmetz Betriebe. Wir erstehen ein Paar Löwen aus Sandstein, das uns über den Drachen hinweg tröstet, den wir in Nepal nicht bekommen haben.
In Utta Pradesh verlief unser Auftritt an der Mautstation meist so: Man nennt uns den Preis für LKW Maut, wir erklären daß wir nur PKW sind, weil nur 2 Pesonen mitführen. Nach ein paar Sekunden Diskussion werden wir durchgewunken.
Die erste Maut in Rajastan kostet uns gut eine halbe Stunde. Wir sollen für LKW zahlen. Wir wollen aber nur für PKW bezahlen. Aber ihr habt riesige Reifen, das ist wie LKW. Na und? Es sind aber nur vier Reifen. LKW's haben 18 Reifen. Busse sind für 150 Personen aber wir sind nur zu zweit. Wenn der Bus leer fährt muß er auch 135 Rs zahlen, das ist eben so. (Motor aus, Fahrerhaus abgeschlossen, wir diskutieren auf der Strasse, der Stau hinter dem Mag wird auf die andere Fahrspur umgeleitet und die Fahrspur mit einem Hütchen gesperrt.) Wir zahlen höchstens 65 Rs für 'Light commercial vecicle' - als Kompromiss.  Es sind Sensoren eingebaut die erkennen wie groß ein Fahrzeug ist und es gibt Ärger mit den Chef wenn die Abrechnung nicht stimmt. Wir sehen die Sensoren. Vor 2 Stunden hat meine Master Card nicht funktioniert und jetzt das hier. Am Ende bezahlen wir 65 Rs und der Mautman bezahlt die Differenz zu den 135 Rs. (Angeblich) Es ist alles nur ein Spiel. Wir lachen viel bei der ganzen Feilscherei und zum Schluß bekommen die Jungs eine handvoll Bonbons.
Manchmal machen wir uns Sorgen um unsere Ernsthaftigkeit. Eine halbe Stunde haben wir um einen Euro gefeilscht. Es macht aber solch einen Spaß.

Vielleicht hat auch der legere Umgang mit den Autoritäten seinen Reiz daran. Aus voller Fahrt werden wir von einem Polizisten zum Anhalten gebeten. Ich halte an - und er will nur mitgenommen werden. Augenrollend fahre ich weiter. Wie soll man die ernst nehmen? Zwei Tage später: Aus voller Fahrt werden wir von einem Polizisten mit Bambusstock zum Anhalten gebeten. Ich bremse zum Stilstand, werde als Tourist erkannt und gleich weiter gewunken. (Das kostet 20 Sekunden Wiederbeschleunigungszeit, vermutlich 100ml Extradiesel und im schlimmsten Fall die Zurücküberholung eines LKW den man vor kurzen erst überholt hat)
Ich weiß nicht warum, aber ich brülle aus vollem Hals 'Er soll sich mit seinem blöden Stock von der Strasse machen.' Seine Kollegen, ca ein Dutzend, lachen und ich fahre weiter. Das würde ich in Deutschland so nicht machen.

Die Hotels machen einen sehr gepflegten Eindruck. Neugierig steuern wir einen pompösen Bau an und bleiben zur Nacht auf den Hotelparkplatz. Wie vereinbart nehmen wir ein Dinner im überteuerten Restaurant. Die Ausstattung ist sehr edel aber das unterkühlte Ambiente sagt uns nicht zu. Ausserdem sind wir die einzigen Gäste und wir fühlen uns unwohl.

25.11.2008
In der Nacht wache ich auf und überlege was stört. Nichts. Kein Zug, der tütet, keine Moschee die singt, Hunde bellen nicht und auch kein LKW Verkehr dringt an mein Ohr. Dani geht es in der Nacht genauso. Sowas haben wir auf der ganzen Reise noch nicht erlebt. Es ist relativ kühl, so daß man sich in die Decke kuscheln kann und es gibt keine einzige Mücke. Noch nie haben wir so gut geschlafen. Wir stehen aber auch auf dem Parkplatz eines guten Hotels mit großen Garten.
Mal rechts, mal links vom Mittelstreifen fahrend sind wir ruckzuck in Jaipur, Hauptstadt von Rajastan. Zu sehen gibt es die Altstadt. Rajastan mit seinen Wüsten und Palästen wollten wir erst in etlichen Wochen auf dem Rückweg nach Norden besichtigen.
Superhighway läuft aber direkt an Jaipur vorbei und es macht keinen Sinn später noch mal her zu fahren. Zwischen Albert Hall  und Altstadt parken wir den Deutz neben einem P-Schild auf einen Schotterhaufen und laufen in die Stadt.
Jaipur ist symetrisch angelegt und Aufgrund eines Besuchs und zu Ehren Prinz Albert's wurde die Stadt komplett rosa getrichen, was sich bis heute nicht geändert hat. Das berühmteste Wahrzeichen der Stadt ist der Hawa Mahal oder 'Palast der Winde'. Extra gebaut um den Frauen des Harem's einen Blick auf die Strasse zu gewähren, ohne selbst gesehen zu werden.
Der Palast der Winde stellt sich beim betrachten allerdings weitaus weniger beeindruckend dar als auf den Fotos der Kalender und Reiseführer.
Wir kaufen eine Kokosnuss und lassen sie gleich öffnen. Der Kokosnussverkäufer gibt die Nuss einem Kokosnussöffner auf der Strasse der die Nuss geschickt auf macht und sein Geld damit verdient.
Endlich finden wir auch einen Buchladen der den Eicher* Road Altas India hat. Wir suchen diese Strassenkarte schon seit der Einreise in Indien vergeblich.
Als es schon dunkel ist schleppen wir die Einkäufe zum Auto und lesen noch etwas in den Reiseführern über Jaipur. Wir stehen warscheinlich neben der 'Modern Art Gallery'. Aha.

*Eicher: Indische Tocher der aufgelösten deutschen Eicher GmbH. Eicher Goodearth Ltd. stellt bis heute Traktoren, LKW, Busse und Motorräder (Enfield) her.

25.11.2008
Zuerst besichtigen wir die 'Modern Art Gallery'. Die Ausstellung ist einer Kunsthochschule angegliedert. Dann laufen wir noch einmal in die Altstadt, haben aber letztlich doch keine Lust das Museum im Stadtpalast zu besuchen. Wir velassen Jaipur und begeben uns auf die Fernstrasse. Superhighway ist jetzt 6-spurig. Kurz vor Ajmer ist der Spaß leider vorbei und wir fahren auf einer ordinären Landstrasse weiter. Unser Eicher Road Altas ist überaktuell. Eine 'Future Map' sozusagen. Vielleicht 2012, wenn Superhighway fertig gestellt ist, wird man sich darauf verlassen können. Trotzdem ist die Karte gut. Es wird wieder wärmer und das üppige Grün weicht langsam. Rajastan ist ja auch ein Wüstenstaat. Eine HP Tankstelle gibt uns Asyl für diese Nacht.

26.11.2008
Für heute ist nur Magirus fahren eingeplant. Und der Motorölwechsel, den wir schon seit einiger Zeit vor uns her schieben. In vielen Ortschaft entlang der Fernstrasse gibt es unzählige Geschäfte und Werkstätten die sich auf Autoreparaturen spezialisiert haben. Trotzdem ist es nicht leicht im vorbeifahren die Werkstatt seines Vertrauens aus den Buden raus zu suchen.
An irgendeiner Werkstattbude parke ich den Deutz und besorge Öl in einem Geschäft nebenan. Bis ich mit dem Öl zurückkomme hat der 'Meister' das Altöl schon abgelassen. Ölfilter und Nebenstromölfilter habe ich von Deutschland mitgebracht. Für Öl- und Filterwechsel  brauchen wir fast zwei Stunden. Es geht halt nicht so schnell, wenn der Meister bis eben tief und fest geschlafen hat. Ausserdem kann man sich ja kaum bewegen bei dem Dutzend Zuschauern die permanent um den Lastwagen rumlungern. Für den Ölwechsel zahlen wir 200 Rs (drei Euro) und ein Feuerzeug. (Ohne das ÖL)
Bis Udaipur ist es dann auch nicht mehr weit. Eigentlich wollen wir weiter nach Mumbai, aber wir fahren direkt durch Udaipur und da macht es Sinn sich die Stadt jetzt anzusehen. Der Reiseführer sagt, wir dürfen nicht einfach so vorbei fahre: Viel zu schön. Und: Die meisten Reisenden bleiben länger als ursprünglich geplant.
Mal sehen.
Wir stellen den Wagen auf dem Parkplatz des Hotel Kajri und unternehmen noch eine kurze Einkaufstour.

27.11.2008
Am Morgen wache ich auf und mir ist schlecht. Es fühlt sich an wie Grippe. Dani sagt es ist warscheinlich Malaria. So kommt es, daß ich quasi den ganzen Tag im Bett bleibe und fast durchschlafe. Ausser Kreuzworträtsel lösen ist also heute nicht viel passiert. He, der Reiseführer hat Recht. Wir bleiben wirklich mindestens einen Tag länger in Udaipur als geplant. Am Abend raffe ich mich auf um die Entsorgungsmöglichkeit im Hotel zu nutzen. Da läuft im Fernseher eine Nachrichtensendung mit einem brennenden Hotel. Die Schrift ist Hindi, kann ich nicht lesen, aber unten im Ticker erscheint 'express you feelings about india's biggest terror attack '. Was ist denn jetzt schon wieder?

28.11.2008
Mir geht es schon wieder viel besser. War wohl doch keine Malaria. Aber die Knochen tun mir weh vom vielen rumliegen. Mit dem Deutz fahren wir in die Stadt und suchen ein Internet. Bevor wir die mails checken schauen wir auf spiegel.de was los ist in Indien. Mist, Terroranschlag in Mumbai. In zwei bis drei Tagen wären wir dort gewesen und jetzt das. So macht es keinen Sinn dort hin zu fahren. Auch wenn uns in Mumbai nichts passiert, die Sicherheitskräfte sind garantiert paranoid.
Vielleicht bleibt uns so auch jede Menge Stress erspart. Mumai ist so dicht besiedelt, daß bestimmt nicht viel Platz zum Magirus fahren ist.

Danach schauen wir uns Udaipur an, haben aber nicht viel Spaß dabei. Uns geht es Beiden nicht so gut, in Mumbai wird geschossen und Udaipur ist wieder so dreckig. Das sinnlose Gehupe geht auf die Nerven. Der Geruch von Kot und Urin in allen Gassen stört heute mehr als sonst.
Wir besichtigen aber einen schönen Tempel ganz in der Nähe des Stadtpalastes. Wir sind ganz alleine in der Anlage und ein Mann vom Tempel erklärt uns alles. Man hat einen schönen Ausblick auf den Palast, Udaipur und den See von hier oben. Natürlich bekommt der Tempelmann ein angemessenes Trinkgeld von uns.
Wir hupen die Kühe vor dem Magirus weg und verlassen Udaipur mit Bauchweh und Übelkeit. Jaipur hat uns besser gefallen.
Zum Glück stimmt der 'Eicher' in soweit daß ab Udaipur eine Autobahn nach Süden führt. Die Strasse geht durch hügelige Landschaft und schon bald verlassen wir Rajastan.

29.11.2008
Der Mann, der auf die IBP Tankstelle aufpasst, an der wir schlafen, hat ein Lieblingslied. Wir kennen es jetzt auch. Eine Stunde lang war es echt schön. Dann nicht mehr soo gut. Nach vier Stunden habe ich den Magirus etwas weiter von seinem Häuschen weg geparkt und dann hat der Lärm von der Landstrasse das Lieblingslied ganz gut übertönt. Ab heute sind wir in Gujarat. Superhighway geht erst mal ganz normal weiter. Höhepunkt des Tages ist ein 90 Kilometer langes Stück Expressway, das sich rühmt zum 'Goldenen Viereck' zu gehören. Es fährt sich wirklich wie eine BAB (Bundesautobahn) und wir fragen uns ob wir wirklich noch in Indien sind.
Sofort nach Expressway Ende fängt der einspurige Krampf mit seinen brutalen und sinnlosen Überholmanövern wieder an.
Sie sollen den Highway fertig bauen. Schneller! Genug Zeit hatten sie ja, seit die Briten weg sind.

30.11.2008
Als ob sie es wörtlich genommen hätten wecken uns Arbeiter um 5 Uhr. Wir sollen in zwei Minuten weg sein, weil am Highway gearbeitet wird. Wir stehen an einem LKW Rasthof und fahren keinen Zentmeter von hier weg. Schon gar nicht bei Dunkelheit. Die Nacht war extrem laut. Bis Mitternacht wurde mit der Handeisensäge gesägt wie in der Politechnikstunde der Grundschule und dann die ganze Nacht LKW Verkehr. Alle indischen LKW's verlassen nach und nach das Gelände. Dank unseres gestörten Verhältnis zu heimischen Autoritäten bleiben wir stehen, frühstücken, waschen Haare, weil die heute dran sind und fahren gegen 9h weiter. Die Asphaltfräse, die den neuen Fahrbahnbelag seit 5:30h wieder weg frisst stört natürlich kein Stück bei der Abfahrt.

Bis 9:30 habe ich drei Autos gerammt. Die Strasse ist eine einzige Baustelle. Mal links, mal rechts des zukünftigen Mittelstreifens. Der Verkehr ist eine einzige Schlange, in Unsere und die Gegenrichtung. Überholen geht nicht und ist auch verboten. Überholen ist sowieso unnötig, weil es ja eh nicht schneller geht, denn da ist eine lange Autoschlange. Q** pfeift auf Anstand und Rücksicht, hupt und setzt zum überholen an. Ich will das verhindern, denn da ist kein Platz, es kommen LKW's entgegen und fahre ganz rechts. (spiegelverkehrt denken wegen Linksverkehr) -Versuch abgewehrt. Da schießt ein PKW völkerrechtswiedrig links an mir vorbei, schneidet mich und ich erwische ihn mit der Stoßstange an seinem Kotflügel. Hätte ich verhindern können, wenn ich in den Gegenverkehr ausgewichen wären. Aber warum soll ich? Der PKW fährt mit seiner Macke am Kotflügel weiter. Einen Moment passe ich nicht auf, schießt der Reisebus an mir vorbei. Aber ohne Aussicht je wieder in eine Lücke einzuscheeren, denn da ist keine. Wir fahren alle sehr langsam und es ist nicht lebensgefährlich wie sonst. Auf gleicher Höhe mit uns ist der Gegenverkehr da und Q zieht nach links. Jetzt müßte ich in den Dreck damit Q Platz hat. Das hat er voll einkalkuliert. Bin ich das Moorhuhn, oder was? Schießen alle auf mich? Ich bleibe stur auf meiner Spur und ramme Q in die Seite. Jetzt hat er schwarze Striemen vom 12:00er Reifen auf seinem Blech und eine Delle. Q fährt natülich weiter.
Minuten später erwische ich noch einen Kleinbus, der uns von links schneidet, mit der Stoßstange, daß er kurz quer steht. Es könnte Spaß machen wenn wir wüssten daß am Magirus nicht's kaputt geht.
Fahren wir wieder mal in Länder wo so schlecht Auto gefahren wird, brauchen wir eine stärkere Panzerung. Das wird dann entspannteres Reisen.
Gujarat ist langweilig und hat viel Industrie. Laut Reiseführer gibt es kaum Tourismus. Man kann die Sonne nicht sehen und es wird schwül. Vor einer Maut Box kaufen wir die Sunday Times. Mombai ist frei von Terroristen. Angeblich wird Pakistan nicht beschuldigt hinter den Anschlägen zu stecken.
Leider ist das Mittagessen heute wieder so scharf und wir müssen schwitzen. Wir müssen lernen was Pepperoni heißt, um sie abzubestellen. Ansonsten sind die Restaurants an der Landstrasse gut, schnell und preiswert. Wo LKW stehen ist meist das Essen auch gut.
Heute ist Erster Advent und wir dürfen wieder ein Päckchen auf machen. Es ist Tee und Gewürz für Glühwein drin. Das ist wirklich lieb. Danke.

**Q: Reisebus: Allmächtiges, unsterbliches Wesen (Star Trek)

1.12.2008
Unsere Indian Oil ist wirklich ein Traum. Wir parken unter Palmen und anderen exotischen Bäumen. Wir haben Gujarat verlassen und sind jetzt in Maharashtra. Auf einen Schlag wird die Landschaft hügelig mit subtropischer Vegetation.  In Maharashtra werden wir an den Mautstellen wieder durchgewunken. Das gefällt uns ganz gut. Es ist immer so unterschiedlich von Staat zu Staat.
Vierzig Kilometer vor Mumbai sehen wir eine Shopping Mall mit Supermarkt und wir machen einen kurzen Halt zum einkaufen und Mittagessen. Das Einkaufszentrum ist klimatisiert und so bleiben wir länger als geplant. Sehr warm ist es ja nicht, aber ganz schön schwül. In Deutschland ist es jetzt kalt und man kann Glühwein trinken. Wir sind wirklich weit weg von Zuhause.
Wir haben uns unseren Besuch in Mumbai noch mal durch den Kopf gehen lassen. Es ist Quatsch jetzt einen Bogen um die Stadt zu machen. Über 13 Millionen Menschen leben in Mumbai und die laufen jetzt auch nicht weg. Es ist nicht gefährlicher als 5km Superhighway und würden wir jetzt weg bleiben, hätten die Terroristen ihr Ziel erreicht.
Also fahren wir mal Richtung Zentrum und schauen wie weit wir kommen. Wenn es nicht weiter geht, kehren wir halt um. Die Stadt liegt auf einer Landzunge, die in das Arabische Meer ragt. Wir kommen an eine riesige Pferderennbahn (Race Course) mit einem großen Parkplatz davor. Der Wächter vom Parkplatz begrüßt uns
mit "No Parking!" Wir sprechen aber nicht die gleiche Sprache und irgendwann ist er mitsamt seinem Fahrrad verschwunden.
Um 23 Uhr, als ich gerade ins Bett gehen will, kommen drei Freunde vom Wächter und wünschen uns auch "No Parking!" Wir sind gerührt von der Gastfreundschaft und möchten die Geste erwidern. Bei aller Begeisterung möchten wir doch lieber unsere Ruhe und ich bewege den Deutz 20 Meter auf die andere Seite des Zauns.

Morgen wollen wir uns Süd - Mumbai, das Zentrum der Stadt anschauen.




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